Senioren mit Behinderung zeigen die alltäglichen Hürden und machen diese erfahrbar

Oberbürgermeister und Stadträte mit dem Rollstuhl über Unebenheiten und Hindernisse

Kleine Umwege, unebene Gehwege, Gefällstrecken – das alles fällt Fußgänger/-innen im Alltag kaum auf. Wie es aber ist, wenn man älter, nicht mehr so gut zu Fuß oder gar auf Hilfsmittel wie Rollator oder Rollstuhl angewiesen ist, das erlebten Oberbürgermeister Dr. Stefan Belz und eine Gruppe Böblinger Stadträte am eigenen Leib. Ausgerüstet mit Rollstühlen und Rollatoren machten sie sich auf den Weg in den Böblinger Stadtgarten.

Senioren der Gemeinnützigen Werkstätten und Wohnstätten (GWW) hatten die Idee für diese besondere Erfahrung. „Wir wohnen hier direkt am Stadtgarten, aber der Weg dorthin ist so mühsam“, erklärt Renate Postendorfer, die für längere Strecken einen Rollator nutzt. Vor zwei Jahren wurde die alte Holzbrücke am östlichen Eingang in den Stadtpark aus Sicherheitsgründen gesperrt. Direkt neben dem Wohnheim befindet sich seit längerem eine Baustelle. Das bedeutet lange Umwege auf teils unebenen Gehwegen. „Daher haben wir gedacht, dass es gut ist, wenn Oberbürgermeister und Stadträte einmal selbst erfahren, wie es älteren Menschen geht, die Probleme mit dem Laufen haben“, so Postendorfer weiter.

So trafen sich sechs Stadträte, OB Dr. Belz und die GWW-Senioren zu einer Runde mit Rollatoren und Rollstühlen von der Brunnenstraße an der gesperrten Brücke vorbei in den Stadtgarten und über den Interkulturellen Garten zurück ins Wohnheim. Bereits die ersten Meter hatten es in sich. „Es ist immer wichtig, mal die Perspektive zu wechseln. Man bekommt einfach nicht mit, wie schnell kleine Unebenheiten auf dem Gehweg für gehbehinderte Menschen zum Problem werden können. Mit dem Rollstuhl oder dem Rollator sind schon leicht abschüssige Wege oder auch Schlaglöcher ein echtes und teils unüberwindliches Problem“, bemerkt Manuel Böhler (SPD) und korrigiert mühsam seinen Rollstuhl, damit dieser nicht auf die vielbefahrene Straße rollt. Bei leicht abschüssigen Gehwegen bekommen die Rollstühle und Rollatoren schnell einen Abwärtsdrall, dem ständig gegengesteuert werden muss. „Ich dachte, dass ich als Familienvater mit dem Kinderwagen nachvollziehen kann, an welchen Stellen unsere Stadt nicht barrierefrei ist. Doch bei der Fahrt mit dem Rollstuhl merke ich, wie anspruchsvoll dies ist und was die Menschen mit Behinderung alltäglich leisten müssen. Das zeigt mir, wie wichtig es ist, unsere Infrastruktur regelmäßig zu sanieren und bei Baustellen Umleitungen neu zu denken“, ergänzt Daniel Wengenroth (Freie Wähler). 

Die Erleichterung, die unebenen Gehwege hinter sich lassen zu können, war bei allen spürbar. Doch schon befand sich die Gruppe vor dem nächsten Hindernis: Die gesperrte Brücke in den Stadtgarten hat einen weiteren Umweg zur Folge. Das leichte Gefälle der kleinen Brücke über den Murkenbach am Interkulturellen Garten stellte keine Herausforderung dar, aber die anschließende Steigung zur Brunnenstraße hinauf trieb allen die Schweißperlen auf die Stirn. Für ältere Menschen in einem Rollstuhl stellt diese Steigung ein unüberwindbares Hindernis dar. Ohne Hilfe ist das Befahren hier bestimmt nicht möglich.

Auf den letzten Metern zurück zum Wohnheim forderte wieder der schlechte Bodenbelag die volle Aufmerksamkeit. „Als das schwierigste Stück empfand ich den unebenen Gehweg“, sagte auch Oberbürgermeister Dr. Belz. „Solche Barrieren sollten natürlich vermieden werden.“ Aber auch unnötige Umwege gelte es möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wurde dann auch die marode Brücke in den Stadtgarten thematisiert. „Wir müssen immer schauen: Was lässt sich mit welchen Mitteln an welcher Stelle umsetzen, damit möglichst viele Menschen davon profitieren?“, so der Oberbürgermeister dazu. Markus Helms (Bündnis 90/Die Grünen) pflichtet dem bei: „Wir wollen eine sichere Wegeführung in den Stadtgarten für alle erreichen. Der Weg in den und aus dem Stadtgarten muss für alle gut und sicher funktionieren.“ Dass eine intakte Brücke am bisherigen Standort auch den älteren Bewohnern der GWW dienen würde, war nach der Runde durch den Stadtgarten allen Beteiligten klar. „Das Thema wird ja schon seit Längerem mit vielen Ideen diskutiert. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden, die für alle Nutzer/-innen passend ist“, so OB Dr. Belz. Unabhängig davon, wie zukünftige Lösungen für die Brücke in den Stadtgarten aussehen werden, waren sich die Beteiligten einig, dass es wertvoll war, sich in die Situation gehbehinderter Menschen zu begeben. So konnten sie deren Probleme im Alltag selbst erfahren. Denn Fußgänger/-innen bemerken die vielen Hindernisse meist gar nicht.